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Moria statt Gloria?

Die Krippe im Wohnzimmer.
Eine Polemik

von Ulrich Martinschledde

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Na, schon aufgebaut? Oder lagern Ihre Krippenfiguren noch im Keller oder auf dem Dachboden und werden erst zu Weihnachten aufgestellt?

Ich kenne nur wenige Haushalte, in denen nicht zur Weihnachtszeit eine Krippe steht. In den Kirchen sowieso. Und ich sehe viele Leute, die mit ihren Kindern oder Enkeln in die Kirche gehen, um die Krippe anzuschauen.

Darf ich provokativ die Frage stellen: „Was soll das?“ Fallen wir da nicht in unsere Kindheit zurück und freuen uns an einem religiösen Puppenhaus? Oder gehört das einfach zu unserer weihnachtlichen Gefühlsduselei, wie Lebkuchen, Engelchen und Flitterkram? Müssen wir den Hirten einen Mund-Nasen- Schutz verpassen, da das Jesuskind oder Maria zum gefährdeten Personenkreis gehört? Oder lohnt es sich, nachzuforschen und der Botschaft der Krippe auf die Spur zu kommen?

Auch wenn die Weihnachtsgeschichte viel älter ist, beginnt die Geschichte der Krippe der Legende nach 1223 in der italienischen Stadt Greccio. Dort macht der Sohn eines reichen Tuchhändlers auf sich aufmerksam, weil er sich auf dem Marktplatz nackt auszieht, seinem Vater die Kleidung vor die Füße wirft und beschließt, ab sofort ein Leben in Armut zu führen und dieses Leben unter den radikalen Schutz Gottes zu stellen. Als Bruder Franz findet er bald Anhänger und als Heiliger Franziskus wird er der Nachwelt bekannt bleiben.

Dieser Bruder Franz schwänzt 1223 den Weihnachtsgottesdienst und lädt die Leute ein, vor der Stadt eine andere Art von Weihnachten auszuprobieren. Dort mimten – neben echten Ochsen und einem Esel – vor einer armseligen Hütte zwei reale Menschen Maria und Josef. Ein lebensgroßes Wachsbild eines Babys lag in einer Futterkrippe.

Eigentlich war das ein Skandal. Bruder Franz wies auf die Armut hin, in die Gott sich hineingebären ließ. Von dem Prunk und Protz, die man schon damals mit Weihnachten verband, keine Spur.

800 Jahre später sieht das anders aus. Da gibt es kostbare Krippen mit edelsten Schnitzfiguren, riesige Krippenlandschaften, in denen das örtliche Rathaus, eine bekannte Kirche oder eine Figur des Bürgermeisters einen Platz hat. Da ist die Dekokrippe unterm Baum, während erlesenste Kostbarkeiten diniert werden und sich die Balken des Wohnzimmertisches unter der Last der Geschenke biegen.

Und trotzdem, die Botschaft der Krippe berührt bis heute immer wieder die Menschen. Vielleicht sollten wir in dieser kleinen Familie, die weggeschickt wird und in einem Stall hausen muss, die Flüchtlingsfamilie wiedererkennen. Vielleicht heißt es 2020 „Moria statt Gloria“. Vielleicht sollten wir in den Hirten die Obdachlosen, Besoffenen, Drogenabhängigen oder einfach die unbequemen Leute aus unserer Stadt wiedererkennen.

Krippen haben ihren Platz in der Weihnachtszeit und dürfen in unserem Wohnzimmer stehen. Wenn wir aber nicht nur beim kindlichen Puppenblick stehen bleiben wollen, dann sollten wir sie als das betrachten, was uns die Weihnachtsgeschichte nach Lukas erzählt. Als Skandal der Menschlichkeit.

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